Sunk Cost Fallacy: Erkennen & vermeiden

Sunk Cost Fallacy: Erkennen & vermeiden

Sunk Cost Fallacy einfach erklärt: Erkenne versunkene Kosten, stoppe Eskalation, triff bessere Go/No-Go-Entscheidungen – mit Formeln, Checklisten und Praxisbeispielen.

Einleitung: Trenne dich von teuren Vergangenheiten

Die Sunk Cost Fallacy verführt dich, schlechte Projekte weiterzuziehen, nur weil du bereits Zeit, Geld oder Mühe investiert hast. Das tut weh und kostet Ertrag. In diesem Guide lernst du, versunkene Kosten zu erkennen, sauber zu entscheiden und Budgets dahin zu lenken, wo sie wirken.

Was bedeutet Sunk Cost Fallacy?

Sunk Costs sind versunkene Kosten. Sie sind bereits angefallen und lassen sich nicht mehr zurückholen. Die Sunk Cost Fallacy ist der Denkfehler, diese irreversiblen Kosten in neue Entscheidungen einzubeziehen. Rational entscheidest du ausschließlich auf Basis zukünftiger Nutzen, Kosten und Wahrscheinlichkeiten.
Synonyme und nahe Konzepte:

  • Concorde-Effekt (klassisches Lehrbeispiel)

  • Eskalation des Commitments

  • Verlustaversion (Loss Aversion)

  • kognitive Dissonanz („Ich lag doch nicht falsch…“)

Kurzgeschichte & Forschungs-Roots

Die Idee ist alt, die psychologische Erklärung ist jung. In der Verhaltensökonomik haben Arbeiten von Arkes & Blumer den „Sunk Cost Effect“ populär gemacht. Kahneman & Tversky erklärten mit Prospect Theory und Loss Aversion, warum wir Verluste stärker gewichten als Gewinne. Für dich heißt das: Du willst „alte Verluste“ unbewusst wiedergutmachen – und investierst dadurch noch mehr.

Entscheidungs-Regel: Future-Only statt Vergangenheit

Der Kern ist simpel: Vergangene Kosten sind irrelevant. Entscheide mit einem Future-Only-Frame.

Entscheidungsformel (Erwartungswert)

EV_weiter = p(Erfolg) × Nutzen_Zukunft − Kosten_Zukunft
Triff die Go/No-Go-Entscheidung nur anhand dieses Erwartungswerts. Ist EV_weiter < 0, dann stoppen.

Kapitalwert-Variante (NPV)

NPV_Zukunft = Σ[t=1..T] (Cashflow_t / (1+r)^t) − Invest_Zukunft
Nur wenn NPV_Zukunft ≥ 0, lohnt sich das Weitermachen. Sunk Costs gehören nicht in die Formel.

Break-even ohne Vergangenheit

Zusatznutzen_Zukunft ≥ Zusatzkosten_Zukunft
Vergangene Ausgaben streichst du aus der Gleichung. Sie sind bereits bezahlt – egal, was du jetzt tust.

Warum wir in die Sunk Cost Fallacy tappen

  • Verlustaversion: Du hasst Verluste stärker als du Gewinne liebst.

  • Selbstbild schützen: „Ich lag richtig“ fühlt sich besser an als „Ich drehe um“.

  • Sozialer Druck: Team, Vorgesetzte oder Stakeholder erwarten Durchziehen.

  • Besitz-Effekt: Du bewertest „dein“ Projekt höher als vergleichbare Alternativen.

  • Kosten der Umkehr: Umsteuern kostet Mut, Fokus und Kommunikation.

Sunk Cost Fallacy in Marketing & Produkt: 5 typische Fälle

  1. PPC-Kampagne verbranntes Budget: CTR ok, aber iROAS < 1. Du hältst fest, „weil wir schon 20.000 € investiert haben“.

  2. Event-Serie mit wenig Leads: Du buchst weitere Termine, um die „Lernkurve zu nutzen“, statt das Format zu ändern.

  3. Feature-Entwicklung zieht sich: Du baust weiter, weil 70 % fertig sind, obwohl Nutzer kein Problem sehen.

  4. Rebranding ohne Lift: Du kaufst noch mehr Media „damit es sich auszahlt“, statt das Messaging zu korrigieren.

  5. Tool-Verträge: Du verlängerst Jahresabos, weil Onboarding aufwendig war – obwohl die Nutzung gering ist.

Diagnosetests: So entlarvst du Sunk Costs sofort

  • Blanko-Start-Frage: „Würde ich heute bei Null wieder starten?“

  • Budget-Neuzuteilung: „Mit neuem Budget morgen – wähle ich dieses Projekt?“

  • Bester Alternativwert: „Welche Option bringt heute den höchsten Grenznutzen?“

  • Stopplinien-Test: „Welche Kill-Kriterien waren definiert – sind sie erreicht?“

  • Externe Perspektive: „Was würde eine neutrale Person tun?“

Kill-Kriterien & Stop-Loss: Schutz vor Eskalation

Lege vor dem Start klare Abbruchpunkte fest. Das reduziert Bias im heißen Moment.

Beispiele für Kill-Kriterien (max. 5):

  • iROAS < 1,1 nach 2 Wochen bei ≥ 500 Klicks

  • Aktivierungsrate < 15 % nach 200 Onboardings

  • NPS < 20 nach zwei Releases trotz Fixes

  • Sales-Cycle > 90 Tage bei Ticket < 2.000 €

  • Kein Product-Market-Signal nach 3 Problem-Interviews

Stop-Loss-Regeln:

  • Budget-Deckel pro Test (z. B. 5 % des Monatsbudgets)

  • Zeitfenster klar definieren (z. B. 14 Tage)

  • Fortsetzung nur mit neuer Hypothese

Praxisformeln für Marketing-Entscheidungen

  • iROAS (inkrementell) = Inkrementeller Umsatz ÷ Inkrementelle Adspend

  • Marginaler CAC = Mehrkosten ÷ zusätzliche Neukunden

  • CLV = Σ[t] (Marge_t × Retention_t / (1+r)^t)

  • Payback = Monate bis kumulierte Marge ≥ CAC
    Nutze marginale statt durchschnittlicher Kennzahlen. Sunk Costs verzerren sonst dein Bild.

Entscheidungs-Workflow in 7 Schritten

  1. Ziel & Hypothese schriftlich festhalten (vor Start).

  2. KPIs + Kill-Kriterien definieren.

  3. Baseline & Alternativen sammeln.

  4. Test ausführen, Datenqualität prüfen.

  5. Future-Only-Entscheidung anhand EV/NPV treffen.

  6. Decision Log führen: 1 Satz, Datum, Owner, Grund.

  7. Ressourcen umschichten zu den besten Optionen.

Kommunikations-Tipps: So verkaufst du das Stoppen

  • „Wir sichern Rendite“ statt „Wir brechen ab“.

  • „Wir investieren in die beste Option“ statt „Das war ein Fehler“.

  • Fakten zuerst, Gefühle danach. Zeig EV/NPV, dann die Story.

  • Trade-off klar: „Wenn wir X stoppen, beschleunigen wir Y um Z Wochen.“

  • Retrospektive als Lernbaustein dokumentieren.

Sunk Cost Fallacy im Studium: So löst du Klausuraufgaben

  • Trenne streng: irreversible vs. reversible Kosten.

  • Ignoriere versunkene Fixkosten in der Grenzbetrachtung.

  • Rechne mit marginalen Größen (Zusatznutzen, Zusatzkosten).

  • Nenne das Future-Only-Prinzip explizit.

  • Zeige NPV/EV und begründe die Entscheidung kurz.

Mini-Cases mit Lösungsskizze

Case 1: Social Ads

Bisher 15.000 € spendiert, 300 Leads, CAC_Ø = 50 €. Aktuell: Marginaler CAC = 120 €, CLV = 100 €.
EV_weiter < 0Stoppen, Budget in SEO-Test mit erwarteter Payback 4 Monate verlagern.

Case 2: Feature Roadmap

Feature A zu 80 % fertig. Research zeigt geringe Relevanz. Feature B verspricht 10 % Aktivierungsplus.
NPV_Zukunft(A) negativ, NPV_Zukunft(B) positiv → Umschwenken, A parken, Lernnotizen halten.

Case 3: Eventreihe

Event 1–3 generierten 40 Leads, 0 Abschlüsse. Kill-Kriterium war „≥ 1 Abschluss nach Event 2“.
Kriterium gerissen → Reihe beenden, Content recyclen, Webinar-Format testen.

Anti-Patterns: Daran erkennst du Eskalation

  • „Wir sind doch schon so weit…“

  • „Das Management erwartet Durchziehen.“

  • „Es war teuer, also muss es gut werden.“

  • „Vielleicht dreht es nächste Woche…“ (ohne neue Hypothese)

  • „Nur noch ein kleiner Push-Betrag.“ (ohne Plan)

30-Tage-Programm: Sunk Costs im Team abtrainieren

Woche 1: Future-Only-Training, Checklist posten, Decision-Log-Vorlage teilen.
Woche 2: Kill-Kriterien für alle laufenden Initiativen definieren.
Woche 3: Erste „Stops“ sauber kommunizieren, Budget neu allokieren.
Woche 4: Retrospektive, Learnings in Playbook und Onboarding aufnehmen.

Checkliste: In 60 Sekunden zur sauberen Entscheidung

  • Betrifft das Argument Vergangenes? → streichen

  • Ist EV/NPV_Zukunft ≥ 0? → sonst stoppen

  • Gibt es eine bessere Alternative heute? → wechseln

  • Sind Kill-Kriterien erreicht? → beenden

  • Ist die Entscheidung im Decision Log dokumentiert? → ja

Fazit: Stärke beginnt beim Stopp

Die Sunk Cost Fallacy endet, wenn du Vergangenheit loslässt und Zukunft bewertest. Entscheide mit EV/NPV, arbeite mit marginalen KPIs, setze Kill-Kriterien und schreibe Entscheidungen auf. So beendest du teure Eskalationen – und finanzierst die Ideen, die wirklich wirken. Genau hier liegt dein Wettbewerbsvorteil: Fokus.

Zusammenfassung

Bereich Kernaussage Formel/Heuristik Nächster Schritt
Definition Versunkene Kosten ignorieren Future-Only-Prinzip Vergangenheit ausblenden
Entscheidung Nur Zukunft zählt EV, NPV_Zukunft Go/No-Go nach Erwartungswert
KPIs Marginal statt Durchschnitt iROAS, marginaler CAC, CLV Marginale Reports einführen
Schutz Stop-Loss & Kill-Kriterien Max. 5 Regeln Vor Start festschreiben
Kommunikation „Invest neu verteilen“ Trade-off sichtbar machen Decision Log führen

Quellen

Wikipedia – Sunk cost
Arkes, H. R., & Blumer, C. (1985): The Psychology of Sunk Cost
Kahneman, D. (2011): Thinking, Fast and Slow
Brockner, J. (1992): The Escalation of Commitment to a Failing Course of Action

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