Booms & Bitner: 7P-Service-Marketing

Booms & Bitner: 7P-Service-Marketing

Booms & Bitner verständlich erklärt: Die 7Ps des Service-Marketings mit Beispielen, KPIs, Vorlagen, Formeln und 90-Tage-Plan für Studium und Praxis.

Einleitung: Warum Booms & Bitner heute wichtig sind

Du verkaufst keine reine Ware, sondern Erlebnisse. Genau hier hilft dir Booms & Bitner. Das 7P-Modell erweitert die klassischen 4Ps um Menschen, Prozesse und sichtbare Belege. So planst du Services präzise, stimmig und skalierbar. In diesem Guide setzt du das Modell sofort praktisch ein.

Ursprung: Wer sind Booms & Bitner?

Bernard H. Booms und Mary Jo Bitner prägten 1981 den erweiterten Marketing-Mix für Dienstleistungen. Die Idee war simpel und radikal zugleich: Services brauchen mehr als Produkt, Preis, Distribution und Kommunikation. Sie brauchen zusätzlich People, Process und Physical Evidence. Seitdem gilt das 7P-Modell als Standard im Dienstleistungsmarketing.

4Ps vs. 7Ps: Was ist anders?

Die 4Ps stammen aus der Industrie-Logik. Sie reichen bei Services oft nicht. Denn Services sind immateriell, variabel, vergänglich und entstehen im Kontakt mit dem Kunden. Die 7Ps fangen genau das ein:

  • People steuern Qualität in jeder Interaktion.

  • Process macht Leistung wiederholbar und messbar.

  • Physical Evidence macht das Unsichtbare sichtbar, z. B. Räumlichkeiten, UI, Zertifikate.

Die 7Ps von Booms & Bitner im Überblick

1) Product (Service-Angebot)

Definiere, welchen Nutzen dein Service liefert. Packe Leistungen in klare Pakete.

  • Kernleistung, Zusatzleistungen, Garantien

  • Service-Level und SLAs

  • Versionierung: Basic, Standard, Premium

  • Self-Service vs. Full-Service

Mini-Check: Kannst du in einem Satz sagen, welches Problem du löst?

2) Price (Preis & Erlöslogik)

Preis signalisiert Wert. Wähle eine Logik, die zum Nutzen passt.

  • Flat, Stufenpreis, Pay-as-you-go, Retainer

  • Preisfaktoren: Zeit, Komplexität, Dringlichkeit

  • Preisdifferenzierung: Studententarif, Early Bird, Bundles

Formeln, die helfen:

  • Deckungsbeitrag (DB) = Preis − variable Kosten

  • ROMI = (inkr. Umsatz − Marketingkosten) ÷ Marketingkosten

  • Payback (Monate) = CAC ÷ monatliche Marge je Kunde

3) Place (Distribution & Zugang)

Services brauchen bequemen Zugang. Online, offline oder hybrid.

  • Website/App, Chat, Hotline, Filiale

  • Öffnungszeiten, Antwortfenster, SLAs

  • Marktplätze und Partner-Channels

  • Friktion senken: „2-Klick-Buchung“, Barrierefreiheit

Kennzahl:

  • Erstkontakt-Erreichbarkeit = beantwortete Kontakte ÷ eingehende Kontakte

4) Promotion (Kommunikation & Vertrauensaufbau)

Zeige Nutzen klar und glaubwürdig.

  • Beweise: Cases, Bewertungen, Zertifikate

  • Content: How-tos, Vergleiche, Rechner

  • CTA-Klarheit: Nächster Schritt in jedem Asset

  • Trial, Demo, Probestunde als „Erlebnis-Preview“

Kennzahlen:

  • CTR, Conversion-Rate, Cost per Lead, Share of Search

5) People (Mitarbeitende & Kundenseite)

Menschen prägen Services. Trainiere Verhalten, Sprache und Standards.

  • Rollenprofile, Onboarding, Shadowing

  • Leitfäden und Tonalität (Voice, Empathie, Klarheit)

  • Incentives auf Kundennutzen, nicht nur Output

  • Kundenseite: Erwartungen klären, Self-Service stärken

Kennzahlen:

  • NPS, CSAT, First Contact Resolution (FCR), AHT (Average Handling Time)

6) Process (Ablauf & Qualität)

Prozesse machen Leistung reproduzierbar.

  • Standard-Prozess + Ausnahmen eindeutig regeln

  • Checklisten, Vorlagen, Quality Gates

  • „Timeboxing“ für Engpässe, z. B. 24-h-Angebot

  • Feedback-Schleifen und Kaizen

Formeln:

  • Auslastung = Nachfrage ÷ Kapazität

  • Durchlaufzeit ≈ WIP ÷ Durchsatz (Little’s Law, vereinfacht)

  • Servicelevel = erfüllte Anfragen fristgerecht ÷ Anfragen gesamt

7) Physical Evidence (Sichtbare Belege)

Mach Qualität sichtbar – in Räumen, Verpackung, Oberfläche, UI.

  • Einrichtung, Sauberkeit, Geräuschkulisse

  • Interface-Design, Ladezeit, Micro-Interactions

  • Uniformen, Ausweise, Siegel, Zertifikate

  • Daten-Transparenz: Status-Tracker, Live-Termine

Messpunkt:

  • Perceived Quality Score aus Kurzumfrage (1–5)

Booms & Bitner als Plan: So setzt du die 7Ps um

Schritt 1: Diagnose

  • Zielgruppe, Jobs-to-be-Done, Schmerzpunkte

  • Vergleichbare Services, Preisfenster, Standards

  • Engpässe im jetzigen Ablauf

Schritt 2: Positionierung

  • „Für [Segment] ist [Service] die [Kategorie], die [Nutzen] liefert, weil [Beweis].“

Schritt 3: 7P-Sheet ausfüllen

  • Je P drei Entscheidungen: Angebot, Regel, KPI

  • Maximalismus vermeiden; pro P zuerst einen starken Hebel

Schritt 4: Prototyp & Pilot

  • Ein Segment, ein Kanal, ein Angebot

  • Messen, lernen, rollen

Schritt 5: Scale-Up

  • Preise schärfen, Prozesse automatisieren

  • People schulen, Nachweise standardisieren

  • Promotion diversifizieren

Praxisbeispiele: 7Ps in Aktion

Beispiel A: Telemedizin-SaaS

  • Product: 15-Min-Video-Sprechstunde + Rezept-Service

  • Price: Abo pro Praxis, Volumenstaffel

  • Place: App + Web, 24/7 Termin-Slotting

  • Promotion: Ärzte-Cases, DSGVO-Siegel, Demo in 3 Minuten

  • People: Support-Mediziner, zertifizierte Coaches

  • Process: Triage-Flow, E-Rezept in 2 h, SLA 95 %

  • Physical Evidence: Klinisches UI, Wartezimmer-Code, Audit-Report

Beispiel B: Premium-Café

  • Product: Single-Origin, Tasting-Flight

  • Price: Good-Better-Best, Preispremium via Story

  • Place: Innenstadt + App-Bestellung

  • Promotion: Tastings, Stammkunden-Club

  • People: Barista-Zertifizierung, Hospitality-Training

  • Process: 3-Schritte-Order, 4-Min-Zielzeit

  • Physical Evidence: Duft, Materialien, Porzellan, Sicht-Röstmaschine

KPIs für Services: Schlank, aber scharf

  • NPS, CSAT, CES (Customer Effort Score)

  • FCR, AHT, On-Time Rate

  • Retention, Repeat-Rate, CLV

  • ROMI, Deckungsbeitrag, Payback

  • Yield = Umsatz ÷ verfügbare Kapazität

  • No-Show-Rate bei Terminen

Preis & Kapazität: Zwei heikle Hebel

Nutze einfache Regeln, um Ertrag zu schützen.

  • Preisfences: Student-, Off-Peak-, Frühbucher-Tarif

  • Zwei-Komponenten-Tarif: Grundgebühr + nutzungsabhängiger Teil

  • Overbooking vorsichtig mit No-Show-Daten

  • Kapazitäts-Puffer an Peaks (Monatsende, Saison)

Mini-Rechenbeispiel:

  • Slots/Tag: 80, Auslastung 85 %, Preis 50 €

  • Yield/Tag = 80 × 0,85 × 50 = 3.400 €

  • Senkst du No-Show von 10 % auf 5 %, steigt der Yield deutlich

People skalieren: Standards ohne Roboter-Ton

  • Script als Leitplanken, nicht als Zwang

  • „Empathie-Momente“ festlegen (Begrüßung, Rückversicherung, Abschluss)

  • Coaching on the job, kurze Audio-Vorlagen

  • Boni auf FCR und CSAT, nicht nur auf Menge

Process optimieren: Von Chaos zu Flow

  • SLA-Matrix je Anfrage-Typ

  • Check-in → Diagnose → Lösung → Follow-up

  • Eskalationsweg und „Default-Entscheidungen“

  • WIP-Limits im Backlog, „Stop-Start“ statt „Start-Start“

Physical Evidence digital: Dein „Servicescape“ im UI

  • Lesbare Typo, ruhige Farben, klare Signale

  • Ladezeit < 2 s, sichtbarer Fortschritt (Progress Bar)

  • Zertifikate, Siegel, Security-Badges nah am CTA

  • Live-Status: „Ihre Anfrage ist bei Person X“

Häufige Fehler – und die Gegenmittel

  • Zu viele Optionen: Bundle und klare Pakete.

  • Unklare Preise: Preislogik auf eine Zeile bringen.

  • Personen ohne Standards: Onboarding und Coaching fix einplanen.

  • Prozesse ohne Messung: SLA + 3 Kern-KPIs definieren.

  • Unsichtbare Qualität: Belege schaffen, UI und Raum sprechen lassen.

90-Tage-Plan: Booms & Bitner in die Praxis

Woche 1–2: Diagnose & Ziel

  • Zielgruppe, Needs, Engpässe

  • Ein-Satz-Positionierung, 3 Kernangebote

Woche 3–4: 7P-Entscheidungen

  • Pro P drei Entscheidungen + je ein KPI

  • Pre-Mortem und Risiken notieren

Woche 5–8: Pilot

  • Ein Segment, ein Kanal, klare SLAs

  • Messen: NPS, FCR, Yield, Payback

Woche 9–10: Schärfen

  • Preise testen, Prozess verschlanken, People coachen

  • Physical Evidence gezielt aufwerten

Woche 11–12: Scale

  • Gewinner skalieren, schwache Taktiken kappen

  • Playbook und Trainings festziehen

Mini-Vorlagen zum direkten Start

Positionierung (Ein Satz)
„Für [Segment] ist [Service] die [Kategorie], die [Nutzen] liefert, weil [Beweis].“

SLA-Snippet
„Wir antworten in 2 h, lösen 80 % im Erstkontakt, eskalieren innerhalb 24 h.“

7P-Sheet (Kurz)

  • Product: [Paket + Nutzen]

  • Price: [Modell + Begründung]

  • Place: [Kanäle + Erreichbarkeit]

  • Promotion: [Beweise + CTA]

  • People: [Rollen + Schulung]

  • Process: [Flow + SLA]

  • Physical Evidence: [UI/Raum + Siegel]

FAQ: Kurz und hilfreich

Ist Booms & Bitner nur für klassische Services?
Nein. Auch SaaS, Plattformen, Creator-Economy profitieren vom 7P-Denken.

Wie viele KPIs sind sinnvoll?
Drei pro Phase reichen oft: ein Qualitäts-, ein Tempo-, ein Wert-KPI.

Brauche ich alle 7Ps sofort?
Starte mit Engpass-Ps. Baue den Rest iterativ aus.

Wie verknüpfe ich 7Ps mit OKRs?
Setze je Quartal 1–2 7P-Hebel als Key Results, z. B. FCR 75 %.

Fazit: Booms & Bitner als Service-Betriebssystem

Mit Booms & Bitner übersetzt du Strategie in Alltag: klare Angebote, ehrliche Preise, bequemer Zugang, starke Beweise, trainierte Menschen und stabile Prozesse. So liefern Teams verlässlich Qualität und Ertrag. Nutze das 7P-Modell als Rahmen – heute, morgen und im Skalieren. Genau deshalb ist Booms & Bitner für moderne Marketer unverzichtbar.

Zusammenfassung

P Aufgabe Beispiel-Entscheidung KPI
Product Nutzen & Paket klären Basic/Pro/Premium Aktivierungsrate
Price Wert bepreisen Stufen + Early Bird Deckungsbeitrag
Place Zugang vereinfachen 2-Klick-Buchung Erreichbarkeit
Promotion Vertrauen aufbauen Cases + Siegel + CTA Conversion-Rate
People Verhalten prägen Leitfäden + Coaching NPS, FCR
Process Flow sichern SLA + Quality Gates On-Time-Rate
Physical Evidence Qualität zeigen UI/Servicescape Perceived Quality

Quellen

Booms, B. H., & Bitner, M. J. (1981): Marketing Strategies and Organizational Structures for Service Firms (in: Marketing of Services).
Bitner, M. J. (1992): Servicescapes: The Impact of Physical Surroundings on Customers and Employees.
Zeithaml, V. A., Bitner, M. J., Gremler, D. D.: Services Marketing.
Kotler, P., Keller, K. L.: Marketing Management.
Lovelock, C., Wirtz, J.: Services Marketing.